Briefe & Berichte aus dem Erstaufnahmelager in Suhl II

“Als keine Besserung eintrat und wir zur Lagerambulanz gingen und den Arzt aufsuchten, hat er uns mit einer sehr groben und unhöflichen Art aus der Ambulanz verwiesen. Er hat uns nicht mal angehört. Jeden Tag wird die Situation meiner Tochter schlimmer.”

Lager-Watch Thüringen liegen Briefe und Beschwerden von Bewohner*innen des Erstaufnahmelagers Suhl vor. Der folgende Brief wurde Ende September verfasst. Wir haben ihn übersetzt, anonymisiert und seine Veröffentlichung abgestimmt. Aktuell befindet sich die Familie noch immer im Erstaufnahmelager in Suhl und wartet bisher vergebens auf die Möglichkeit, dass Lager verlassen und sich um die medizinische Anbindung und Versorgung ihrer Kinder kümmern zu können. Immer wieder wird die Familie vertröstet: fachmedizinische Behandlung sei erst nach einem Transfer aus Suhl möglich. Zugleich gehört die Familie ebenfalls zu einer der unmittelbar von der Gewalt durch die Security betroffenen Familien, denen eine schnelle Verteilung versprochen wurde. Das ist bisher noch immer nicht passiert und die in Suhl verbliebenen Familien bleiben nach ihren traumatischen Erfahrungen weiterhin gezwungen, unter den aktuellen Bedingungen insbesondere der Versagung fachmedizinischer Behandlung ausharren zu müssen. Gemeinsam mit den betroffenen Familien bestärken wir erneut unsere Forderungen und fordern von den zuständigen Verantwortungsträger*innen,  die unverzügliche Verteilung auf eine Stadt, die in der Lage ist, für die fachmedizinische und psychosoziale Betreuung Sorge zu tragen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, um die anhaltende Isolation zu durchbrechen.

 

Brief eines Familienvaters zur Situation der medizinischen Gesundheitsversorgung im Erstaufnahmelager Suhl

Sehr geehrte Leser und Leserinnen, seien Sie gegrüßt,

ich bin ein Flüchtling aus Afghanistan und bin mit meiner Familie von Griechenland hierhin nach Deutschland transferiert worden. Meine Familie besteht aus meiner Frau und meinen drei Kindern. Die Überführung fand im Rahmen des Aufnahmeprogramms für besonders vulnerable Personen statt.

Aufgrund der folgenden Krankheiten zählten wir zu der Gruppe der besonders gefährdeten Personen:

  • Ich selbst leide an einer Herzkrankheit und hatte bereits einen leichten Herzinfarkt in Griechenland. Zudem sind bei mir Nierensteine festgestellt worden.
  • Mein ältester Sohn leidet an Depressionen.
  • Die schwerste und für uns als Familienmitglieder sehr belastende Krankheit ist die unserer Tochter. Sie leidet an schwerer Schuppenflechte (der Schmetterlingskrankheit). Seit 9 Jahren leidet sie unter diese Krankheit. Bisher hat sie verschiedenste Medikamente nehmen müssen. Keiner von diesen hat jedoch eine positive Reaktion bei ihr gezeigt.

Als sie uns alle von Griechenland hierhin verlegen wollten, hat man uns gesagt, dass sofort nach der Aufnahme in Deutschland die medizinische Behandlung begonnen werde. Aber bis heute  ist keine medizinische Hilfeleistung erfolgt. Wir haben mehrmals beim Lagerarzt vorgesprochen. Die einzige Antwort, die er uns bisher gegeben hat, ist, dass wenn auch schlimmer werden sollte, es nicht so schlimm sei. Wir sollen bis nach dem Transfer warten und weitersehen.

Einmal setzte er meiner Tochter Anfang der Woche eine Spritze. Falls es ihr bis zum Ende der Woche nicht besser gehen sollte, werde sie in ein Krankenhaus verlegt. Als keine Besserung eintrat und wir zur Lagerambulanz gingen und den Arzt aufsuchten, hat er uns mit einer sehr groben und unhöflichen Art aus der Ambulanz verwiesen. Er hat uns nicht mal angehört. Jeden Tag wird die Situation meiner Tochter schlimmer.  Wir haben Angst, dass bald ihr ganzer Körper betroffen sein wird und dass es irgendwann zu spät für eine passende Behandlung wäre. Wir haben Angst, dass sie sich für die Gesundung monatelang in einem Krankenhaus aufhalten müsste. Es ist zu erwähnen, dass meine Tochter sich sowohl in Afghanistan als auch in Griechenland monatelang in Krankenhäusern aufgehalten hat. Obwohl zurzeit nur einige Teile ihres Körpers betroffen sind, befindet sie sich in der Isolation. Die anderen Kinder haben Angst mit ihr zu spielen. Diese Situation ist also nicht nur für ihren Körper schlimm, sondern auch für ihren seelischen Zustand. Ich bitte Sie verzweifelt um Unterstützung für die Gesundheit meiner Tochter und um den Beginn einer medizinischen Behandlung. Meine Tochter müsste in ihrem Alter nun spielen und Freude haben, stattdessen leidet sie sowohl physisch als auch psychisch.

Seitdem wir in Suhl angekommen sind, haben wir keine Hilfe erhalten. Einige der Mitarbeiter haben ein sehr schlechtes Verhalten uns gegenüber gehabt. Ab und zu waren wir beim Sozialarbeiter. Er hat uns gefragt, ob wir ein Hotel erwarten würden. Manchmal sagte er sarkastisch: „Willkommen in Deutschland!“ oder warum wir denn hierhin gekommen seien.

Wir bitten Sie verzweifelt um Hilfe und Unterstützung, damit unsere Stimmen die Verantwortlichen erreichen. Wir sind überzeugt, dass keiner über die Probleme hier Bescheid weiß.  

In dem Land, das immer ein Sponsor der Flüchtlingsrechte war, und immer die Frauen- und Kinderrechte unterstützt hat, haben wir bis heute keine Unterstützung gesehen. Manchmal sind die Ärzte und Sozialarbeiter bereit, die Wände und Mauern anzuschauen. Sie vermeiden es aber mit uns zu sprechen oder uns anzuschauen. Welche Schuld haben wir uns denn aufgeladen als wir flüchteten? Wir brauchen Hilfe. Danke.