Die folgende Pressemitteilung des Flüchtlingsrats Thüringen war Anlass für die Gründung des Netzwerks Lager-Watch Thüringen:
Am Abend des 29.9.2020 gab es nach Informationen des Flüchtlingsrat Thüringen e.V. in der Thüringer Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl eine Gewalteskalation durch den Sicherheitsdienst gegen Bewohner*innen. Bilder und Schilderungen zeigen insbesondere die massive Anwendung von Gewalt, auch gegen Frauen und in Anwesenheit von Kindern.
Berichten zufolge sollen sich nach einer vermeintlichen Ruhestörung durch Kinder drei Angestellte des Sicherheitsdienstes gewaltsam Zugang zu dem Zimmer der betroffenen Familie verschafft haben. Die anwesende Frau und Mutter filmte das Geschehen mit ihrem Handy. Ihr soll daraufhin unter Gewalt das Handy entrissen worden sein. Die Berichte schildern, sie sei im Beisein ihrer schreienden Kinder geschlagen, auf den Boden gedrückt und an den Haaren gezogen worden. Daraufhin sei die Gewalt auch gegen weitere anwesende Familien eskaliert, die der Frau zur Hilfe kommen wollten. Sowohl Polizei als auch Rettungsdienst seien danach im Einsatz gewesen.
Eine der von der Gewalt betroffenen Frauen hatte erst vor wenigen Wochen ihr Kind im 7. Monat der Schwangerschaft verloren. Die Bitten um medizinische und frauenärztliche Untersuchungen sollen tagelang auf taube Ohren gestoßen und ihre massiven Schwangerschaftsbeschwerden bagatellisiert worden sein, bis im Suhler Krankenhaus letztlich der Tod des ungeborenen Kindes festgestellt wurde. Die Frau hatte am 29.9.2020 Strafanzeige gegen den in der Einrichtung zuständigen medizinischen Dienst gestellt.
„Wir fordern die umfassende und lückenlose Aufklärung dieser erschütternden Vorgänge in der Erstaufnahmeeinrichtung Suhl und Konsequenzen für die entsprechenden Mitarbeiter*innen. Wir erwarten, dass Schutzsuchende in der Thüringer Erstaufnahmeeinrichtung einen würdevollen und sensiblen Umgang sowie die erforderliche uneingeschränkte medizinische Versorgung erfahren. Derartige Vorfälle darf es nie wieder geben!“ so Philipp Millius Vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
„Die betroffenen Familien müssen unverzüglich aus der Erstaufnahmeeinrichtung entlassen und in Kommunen untergebracht werden, die die notwendige psychosoziale Unterstützung und medizinische Versorgung bestmöglich absichern können, um nach ihren dramatischen Erfahrungen in der Erstaufnahmeeinrichtung tatsächlich einen Ort des Ankommens und der Stabilisierung zu finden“, erklärt Helmut Krause, Menschenrechtsbeauftragter der Thüringer Landesärztekammer.
Der Flüchtlingsrat hatte bereits in der Vergangenheit auf verschiedenen Ebenen auf massive Missstände in der Erstaufnahmeeinrichtung hingewiesen, u.a. auf Berichte über regelmäßige Zutritte durch das Sicherheitspersonal in die Zimmer der Bewohner*innen, die grundrechtlich besorgniserregend sind.