Rassismus ist Alltag. Auch und insbesondere in den Lagern des Landes Thüringen und seiner Kommunen. 

(ENGLISH BELOW)
Statement anlässlich der Wochen gegen Rassismus und des Housing Action Day
Rassismus ist Alltag. Auch und insbesondere in den Lagern des Landes Thüringen und seiner Kommunen.

Nach zwei Jahren Pandemie haben wir als Lager-Watch Thüringen bitter feststellen müssen, dass das Land Thüringen aller Widerstände zum Trotz ungeniert an der Struktur und der rassistischen Kontinuität des bundesdeutschen und europäischen Lagersystems festhielt und zumeist eine Durchseuchung in den Lagern und Unterkünften billigend in Kauf genommen hat.

Im Herbst 2020 mussten wir erleben, wie der Sicherheitsdienst des Erstaufnahmelagers Suhl gewaltsam in die Zimmer von Familien eindrang, um diese aus vermeintlichen Brandschutzgründen zu durchsuchen. Dabei verletzten sie gewaltsam die Privatsphäre von Bewohner:innen und begannen, Väter und gleichsam Mütter vor den Augen weinender Kinder zu verprügeln.

Lager bieten das Gegenteil dessen, was alle Menschen brauchen – Schutz, einen Ort, an dem Menschen in Sicherheit und Frieden ankommen können, Rückzugsmöglichkeiten und das Recht auf Privatsphäre. Wer es auf europäisches Festland geschafft hat, wird festgesetzt. Mit polizeilicher Gewalt, mit Residenzpflicht, Wohnsitzauflagen oder Übernachtungspflichten. Ob Hotspots in Griechenland oder hiesige Sammelunterkünfte – Lager folgen immer derselben Abschreckungslogik. Sie sollen Abschiebungen erleichtern und die Ankommenden isolieren. Die ständige Angst vor Abschiebung, das Warten, keine Privatsphäre und willkürliche Security-Gewalt sind Alltag in Thüringen und bundesweit.

Der Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine zeigt, dass es auch anders geht. Wenn es in die politische Agenda passt, fährt die EU plötzlich eine Aufnahmepolitik, die bis vor Kurzem undenkbar schien: Geflüchtete dürfen sofort arbeiten, haben Anspruch auf Sozialleistungen, auf Gesundheitsversorgung und können direkt in Wohnungen ziehen. Diese momentane liberale Aufnahmepraxis bedeutet jedoch keine Umkehr in der bisherigen repressiven Migrationspolitik: So werden an derselben Grenze People of Color oder ohne Pass abgewiesen oder erfrieren unweit davon im polnisch-belarussischen Wald. An der Grenze passiert damit das, was auch die Lagerlogik ausmacht: eine strikte Selektion von vermeintlich “guten” und “schlechten” Geflüchteten.

Wir fordern daher hier und jetzt Bleiberechte und Wohnungen für alle Menschen! Wir fordern die Abschaffung aller Lagerstrukturen und die vollständige Absage an die bundesdeutsche Lager- und Kontrollmentalität der Ausgrenzung, Isolation und der Unterdrückung! Die letzten Wochen zeigen uns: Eine andere Politik ist möglich! Wenn unsere Solidarität grenzenlos bleibt. Dabei muss uns kümmern was mit Menschen passiert, die in der Isolation der Thüringer Lager leben müssen!

Die Erfahrungen, von denen Ankommende in Thüringen nach einigen Wochen aus dem Erstaufnahmelager in Suhl berichten, sind erschreckend und reichen von mangelnder Versorgung und erlebter Bevormundung, über rassistische Beleidigungen oder Bedrohungen bis hin zu massiven Gewalterfahrungen.

Die Gewaltnacht durch Security gegen Bewohner:innen am 29.09.2020 war der Ausgangspunkt für die Gründung des Netzwerks Lager-Watch Thüringen. Bis heute fordern wir gemeinsam mit den Betroffenen Aufklärung und Konsequenzen! Doch bis heute bleibt die Aufklärung aus und bis heute beschäftigt das Land Thüringen und das Landesverwaltungsamt über einen mit Drittaufträgen beauftragten Sicherheitsdienst weiterhin organisierte Nazischläger. Das Land Thüringen beschäftigt Rassisten und bekennende Neonazis und das vermeintlich zum Schutz von Bewohner:innen. Das ist die Bilanz aus der rassistischen Ignoranz der Thüringer Verantwortungsträger:innen in Ministerien, Verwaltungsämtern und der Justiz in einem Bundesland, das sich selbst zum vermeintlich “sicheren Hafen” erklärt hat!

Wir fordern Gerechtigkeit! Wir fordern die Auflösung und Aufkündigung aller Verträge mit dem derzeit im Erstaufnahmelager befindlichen Sicherheitsdienst, die Verurteilung der Gewalttäter von Suhl und endlich eine lückenlose Aufklärung!

Und dann müssen wir uns die Frage stellen, wie es sein kann, dass unter der gegenwärtigen Landesregierung die Missstände, die unterlassene medizinische Hilfeleistung, die massiven und fortdauernden Grundrechtsverletzungen und die brutale Gewalt gegen Schutzsuchende viel zu lange hingenommen werden.

Die Forderung “Wohnungen für alle!” aus antirassistischer Perspektive muss daher mit der Forderung nach der Abschaffung der rassistischen Sondergesetzgebung für Schutzsuchende hier in Thüringen und europaweit einhergehen! Privatsphäre, BEZAHLBARER UND MENSCHENWÜRDIGER WOHNRAUM IST Grund- und MENSCHENRECHT! Doch die aktuellen bundesweiten Regelungen und das Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz zementieren Lagerunterbringung und massive Grundrechtseinschränkungen für alle Schutzsuchenden.

Der Kampf um Gerechtigkeit und gegen Rassismus, der Kampf um Wohnungen für alle muss daher zusammen und in grenzenloser Solidarität mit allen Menschen geführt werden, die hier in Jena und Thüringen, in der Bundesrepublik und in Europa Obdach und bezahlbaren Wohnraum, die hier Schutz und Zuflucht suchen oder für ihr Bleiberecht kämpfen müssen.

Statement on the occasion of the Weeks against Racism and the Housing Action Day

Racism is happening everyday. Also and especially in the camps of the state of Thuringia and its municipalities.

After two years of pandemic, we as Lager-Watch Thuringia had to bitterly realize that the state of Thuringia, despite all resistance, unabashedly adhered to the structure and racist continuity of the Federal German and European camp system and mostly accepted an infestation in the camps and accommodations.

In the fall of 2020, we had to witness how the security service of the Suhl initial reception camp forcibly entered the rooms of families in order to search them for supposed fire safety reasons. In doing so, they violently invaded the privacy of residents and began to beat up fathers and, as it were, mothers in front of crying children.

Camps offer the opposite of what all people need – protection, a place where people can arrive in safety and peace, retreat and the right to privacy. Those who make it to mainland Europe are detained. With police force, with residency requirements, residence requirements or overnight accommodation requirements. Whether hotspots in Greece or collective accommodations here – camps always follow the same logic of deterrence. They are intended to facilitate deportations and isolate the arrivals. The constant fear of deportation, waiting, no privacy and arbitrary security violence are everyday life in Thuringia and nationwide.

The treatment of refugees from Ukraine shows that it can be done differently. When it suits the political agenda, the EU suddenly adopts an admission policy that seemed unthinkable until recently: refugees are allowed to work immediately, are entitled to social benefits and health care, and can move directly into apartments. This momentary liberal admission practice, however, does not mean a reversal in the previous repressive migration policy: People of color or without passports are turned away at the same border or freeze to death in the Polish-Belarusian forest not far away. What happens at the border is the same as the logic of the camps: a strict selection of supposedly “good” and “bad” refugees.

Therefore, we demand here and now rights to stay and housing for all people! We demand the abolition of all camp structures and the complete rejection of the German camp and control mentality of exclusion, isolation and oppression! The last weeks show us: A different policy is possible! if our solidarity remains without borders. We have to care about what happens to people who have to live in the isolation of the Thuringian camps!

The experiences of those arriving in Thuringia after a few weeks in the initial reception center in Suhl are frightening and range from a lack of care and experienced paternalism, racist insults or threats to massive experiences of violence.

The night of violence by security against residents on 29.09.2020 was the starting point for the foundation of the network Lager-Watch Thuringia. Until today, we demand clarification and consequences together with those affected! But until today the clarification remains missing and until today the state of Thuringia and the State Administration Office continues to employ organized Nazi thugs through a security service contracted with third parties. The state of Thuringia employs racists and avowed neo-Nazis and this supposedly for the protection of residents. This is the result of the racist ignorance of Thuringian officials in ministries, administrative offices and the judiciary in a state that has declared itself a supposed “safe haven”!

We demand justice! We demand the dissolution and cancellation of all contracts with the security service currently in the initial reception center, the condemnation of the perpetrators of violence in Suhl and finally a complete clarification!

And then we must ask ourselves how it can be that under the current state government, the abuses, the failure to provide medical assistance, the massive and continuing violations of fundamental rights and the brutal violence against those seeking protection is accepted far too long powerless.

The demand “Housing for all!” from an anti-racist perspective must therefore be accompanied by the demand for the abolition of the racist special legislation for protection seekers here in Thuringia and across Europe! PRIVACY, PAYABLE AND HUMAN DIGNIFIED HOUSING IS A BASIC AND HUMAN RIGHT!But the current nationwide regulations and the Thuringian Refugee Reception Act cement camp accommodation and massive basic rights restrictions for all protection seekers.

The struggle for justice and against racism, the struggle for housing for all must therefore be fought together and in solidarity with all people.